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Extra-Perle: Deutschland - Ben Dolic, „Violent Thing“

Deutschland stellt beim ESC neben vier anderen Ländern den größten Werbemarkt dar, weswegen die Sponsoren des ESC größtes Interesse haben, dass hier zu Lande auch viele Menschen zuschauen. Deswegen müssen diese „Big 5“-Länder nie durch eines der Halbfinale, sondern sind immer fest für das Grand Final gesetzt.

 

Nur genutzt hat es nichts. Denn seit Jahren liefert Deutschland Beiträge zum ESC, die man getrost als 50 shades of grey bezeichnen kann. Es ist sehr lange her, dass ich beim deutschen Beitrag mitgefiebert habe, denn es war sowieso klar, dass all' die je nach Jahr beige-farbenen, tappsigen oder schrillen Mädchen und all' die Jungs mit dem Esprit eines VW Golfs verlässlich die hinteren Ränge belegen. Beiträge, die so deutsch waren wie Sauerteigbrot mit Leberwurst.

 

Und dann kommt das. Als der für Deutschland federführende NDR im Winter auf einen Vorentscheid verzichtete, seinen Beitrag intern (u.A. durch eine 100-köpfige Jury von Fans) bestimmte und nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu später Stunde im Spartenkanal ONE präsentierte, dachte ich zunächst an einen Schaltfehler und war überzeugt, dass die Regie da gerade versehentlich ein Video aus internationaler Produktion einspielt. War ja auch schon spät. Aber es war kein Fehler – das sollte wirklich der deutsche Beitrag beim ESC 2020 werden! Die Fans in Europa und der Welt waren sich im Netz einig – DAS ist der Befreiungsschlag, den man Deutschland seit Lena nicht mehr zugetraut hatte.

Tatsächlich ist die Nummer eine internationale Produktion. Ben Dolic, der 22-jährige Sänger, stammt aus Slowenien, lebt aber der Liebe Willen in Berlin, weil seine Freundin dort ein Schauspielstudium absolviert. Hinter dem Lied steht das in dieser Reihe schon mehrfach erwähnte Autoren- und Komponistenkollektiv „Symphonix“, dessen Head der aus Bulgarien stammende, aber in Österreich lebende Boris Milanov ist. Symphonix mausert sich seit Jahren zu einer Hitschmiede beim ESC. Das Video wurde in Bukarest gedreht und das hübsche Mädchen, dass Ben dort anschmachtet, ist tatsächlich seine Partnerin.

 

Man kann einwenden: Warum keine deutsche Produktion? Vielleicht, weil internationale Kooperationen in der Musikszene längst üblich sind, weil der ESC eine internationale Idee hat und Ben immer sympathisch rüberkommt. Und die Feedbacks aus allen Ecken der Welt geben dem NDR Recht und kaum jemand zweifelt, dass es Ben Dolic unter die Top 5 gebracht hätte. Wir werden es nie erfahren, aber an diesem Samstag, den 16. Mai, überträgt das Erste um 20:15 Uhr „Das deutsche Finale“ live aus Hamburgs Elbphilharmonie und dort wird Ben seinen Beitrag nahezu so aufführen, wie es in Rotterdam geplant war (mit kleinen Einschränkungen wegen Abstandsregeln und technischen Möglichkeiten in der Elphi).

 

Ich hätte für „unseren“ Beitrag endlich mal wieder mitgefiebert und deswegen ist er meine Extra-Perle.

 

Für Deutschland: Ben Dolic mit „Violent Thing“!