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Perle 10 von 10: Island - Daði og Gagnamagnið, „Think About Things“

Hoch oben und weit abgelegen im Nordatlantik liegt Island, das Land des ewigen Eises, der Vulkane und heißen Quellen. So weit oben und abgelegen, dass es bis Mitte der Achtzigerjahre nicht möglich war, Island die ESC-Teilnahme zu ermöglichen, weil es an den notwendigen Datenkabeln auf dem Meeresboden fehlte. Dann aber hieß es ab 1986 auch in Island „Good Evening, Europe!“ und zur Einstimmung belegte man gleich den letzten Platz. Aber es ging aufwärts und zwei Mal schrammte man hauchdünn am Sieg vorbei, allerdings gab es auch weiterhin Misserfolge und ein isländischer Beitrag wurde auch heftig ausgebuht. Die Kunstfigur Silvia Night, dargestellt von einer populären TV-Moderatorin, nahm den ESC und seine Fans ironisch auf die Schippe und es zeigte sich, dass ein großer Teile der Fangemeinde den Humor eines russischen Präsidenten hat, der gerade erfahren hat, dass der ukrainische Präsident das größere Geschlechtsteil hat. Dabei war die Nummer an Schrillheit kaum zu überbieten und griff jedes damalige ESC-Klischee fantastisch auf und während heute die Tontechnik missliebige Pfiffe herausfiltert, entlud sich damals der volle Zorn der Kundschaft:

 

Ich muss sicherlich nicht erwähnen, dass ich die Nummer göttlich fand

 

Umso tragischer ist die Absage des ESC 2020, denn der diesjährige Beitrag belegt in nahezu allen Fan-Abstimmungen und in von vielen Sendern abehaltenen kleinen „Ersatz-ESC“-Sendungen den 1. Platz. Daði heißt der Sänger, der mit der Band Gagnamagnið (die zum guten Teil aus seiner Verwandtschaft besteht, was in Island allerdings auch keine Kunst ist) nach Rotterdam reisen sollte. Daði lebt mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter seit einigen Jahren in Berlin und macht elektronische Musik. Der Beitrag „Think About Things“ verbreitete sich kurz nach dem isländischen Vorentscheid zu einem viralen Hit in vielen Ländern, geteilt u.A. von Russel Crowe und Jan Böhmermann, wie es isländische Vulkan-Asche nicht besser gekonnt hätte. Es geht um einen Vater, der es nicht erwarten kann, seiner Tochter die Welt zu zeigen und zu erfahren, wie sie darüber denkt. Diese eigene Lebensgeschichte des Sängers wird so nerdig und liebevoll dargebracht, dass man nicht drumherum kommt, sich in Daði, seine Band und seinen Song zu verlieben. Ob das der Gewinner geworden wäre und die siegeshungrigen Isländer zum Kochen gebracht hätte wie Geysire? Sehr viele meinen: Ja. Zu Recht, denn schließlich kommt auch eine Windmaschine zum Einsatz und wir wissen alle, dass das ein Zeichen ist beim ESC!

Für Island: Daði Freyr og Gagnamagnið mit „Think About Things!

Der isländische Sender RÚV weiß, welches Juwel seine Zuschauer da gewählt haben und will der Band im kommenden Jahr mit neuem Lied noch einmal die Reise nach Rotterdam spendieren.