Was war ich verliebt, als Albanien die ESC-Saison wie immer um Weihnachten herum eröffnete und die 21-Jährige Arilena Ara - entdeckt bei "The Voice Of Albania" - zu seiner Vertreterin beim ESC 2020 wählte. Diese Stimme, dieses Orchester, diese dramatische Balkan-Melodie und diese schöne Frau! Obwohl noch kein anderer der 41 Beiträge bekannt war, war mir klar, dass sie meine Favoritin sein würde. Allerdings polierte man den Song - wie leider immer und nicht nur in Albanien - auf, nahm das Orchester raus und ein beliebiges Arrangement rein und textete um in Englisch - aus "Shaj (Schrei)" wurde "Fall From The Sky". Heraus kam eine seelenlose 0/15-Nummer, die selbst bei Formatradios niemand wirklich hören will. Darum hier das wundervolle Original aus dem albanischen Vorentscheid:
Bibo aus der Sesamtstraße hatte ihr ein paar Federn geliehen und ist nun stocksauer, weil Arilena sie schwarz verfärbt hat.
Damit rückt eine andere Perle des ESC-Jahrgangs 2020 nach und es ist das Land, das den Rekord an Siegen hält: Irland. Was für eine Bilanz! Seit 1965 dabei, sieben Mal Platz 1 und der irische
Sender RTÉ dadurch am Rande des Bankrotts. ESC-Legende Johnny Logan gewann drei Mal (davon einmal als Autor) und auch mein All-Time-Favourite gewann für Irland: Niamh Kavanagh mit "In Your Eyes"
- dem Lied, von dem ich mir wünsche, dass es auf meiner Beerdigung gespielt wird (merkt Euch das bitte, ich meine das Ernst.)
Im neuen Jahrtausend aber ging es bergab und Irland gelang es kaum, überhaupt noch das Grand Final zu erreichen. Das sollte sich 2020 ändern und die Aufgabe an Euch Lesenden heißt nun: Denkt
nicht an Katy Perry! Denkt nicht an Katy Perry! Denkt nicht an Katy Perry!
Denn die neue Hoffnung des irischen Fernsehens heißt Lesley Roy. Die 34-Jährige wuchs im Dubliner Umland auf, macht Musik, seit sie 15 ist, ist überwiegend als Komponistin und Texterin tätig und lebt mit ihrer Frau abwechselnd in Irland und in den USA. Dort, in Nashville, Tennessee, schrieb sie auch den verhinderten diesjährigen irischen Beitrag "Story Of My Life". Und der US-amerikanische Einfluss ist nicht zu überhören, aber wir wollen nicht an Katy Perry denken! Den Text muss man nicht erklären, denn man versteht ihn, wenn man das Video sieht. Das Lied hat den Tiefgang einer Fähre im Wattenmeer und hat keinerlei höheren Anspruch, als zu unterhalten. Da die Hälfte der Stimmen beim ESC von professionellen Jurys kommt, hätte es Irland in diesem Jahr schwer gehabt, im Semifinale weiter zu kommen, denn Jurys stehen stehen auf verkopfte Balladen und betrachten Gute-Laune-Pop wie eine feine Dame, die auf einen Haufen Hundekot im Kurpark von Wiesbaden blickt.
Völlig zur Unrecht, finde ich, denn der Song geht ins Ohr und macht Spaß, ich liebe ihn und höre ihn rauf und runter und genau dieser Radio-Pop fehlt oft beim ESC. Und wäre er von Katy Perry, wäre er ein Welthit geworden. Das wird Lesley Roy wohl nicht gelingen, denn sie wird wegen Corona nicht die Chance bekommen, vor 200 Millionen Zuschauern zu performen.
Für Irland: Lesley Roy mit "Story Of My Life"!
Der irische öffentlich-rechtliche Sender Raidió Teilifís Éireann (RTÉ) hat bis jetzt noch keinen Flug nach Holland bei Ryanair für Lesley im nächsten Jahr gebucht. Ob sie eine neue Chance mit neuem Lied bekommt, ist noch offen.