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Perle 8 von 10: Ukraine - Go_A, „Solovey“

Die ehemalige Teilrepublik der UdSSR erlangte 1991 die Unabhängigkeit und ließ sich dann bis 2003 Zeit, um am großen Wettsingen der Völker die Stimme zu erheben. Und das mit gewaltigem Erfolg. Ausnahmslos immer wurde das Grand Final erreicht und dort gab es bereits 2004 den ersten Sieg mit Ruslana und "Wild Dances". Die energetische Nummer mit den vielen Tänzern brachte in einer der Proben den Glasboden der Bühne zum Zerbersten und dieser Auftritt sollte künftig die Messlatte für die Acts der Ukraine sein. Junge Mädchen bändigten Männer in Hamsterrädern, eine Dragqueen mit Glitzeranzug und Aluhut trat ebenso auf wie der größte Mensch der Welt und häufig brannte es auf der Bühne. Lediglich Kettensägen, Mörsergranaten und Bulldozer fanden in ukrainischen Settings bislang noch keine Verwendung.

Hinter den Kulissen aber ist die Ukraine ein verlässlicher Garant für die bei Fans so beliebte ESC-Folklore aus Bestechungsskandalen, Plagiatsvorwürfen, politischen Auseinandersetzungen mit dem Erzfeind und Kriegsrivalen Russland und Nationalismus. So nahm das große Land, gelegen zwischen Polen und Russland, im vergangenen Jahr nicht teil. weil die im Vorentscheid gewählte Sängerin nicht nur auch in Russland auftrat, sondern auch auf der von Russland annektierten, aber zur Ukraine gehörenden Krim-Halbinsel. Das war dem öffentlich-rechtlichen Sender UA:Perschyj dann doch zu viel, man blies den Jahrgang ab und sparte sich die Reisekosten nach Tel Aviv. Allerdings auch die Chance auf den Sieg, denn der Beitrag war Hammer (Maruv, Siren Song).

 

Nahezu skandalfrei lief der diesjährige Vorentscheid in Kiew ab, allerdings ließ der Sender nur Teilnehmer zu, die vorab bestätigten, bislang nicht in Russland aufgetreten zu sein und dies bis zum ESC auch nicht vorhaben - und so fanden sich viele folkloristische, heimattreue Beiträge in der Sendung. Es gewann die vierköpfige Band Go_A. Der Name soll "Zurück auf Anfang" bedeuten und ihr Musikstil ist äußert ukrainisch und für unsere Ohren etwas ungewohnt. Sängerin Kataryna Pavlenko praktiziert den in Osteuropa typischen "weißen Gesang", bei uns auch als "Schreigesang" bezeichnet und auch die Instrumente versetzen einen schon in die Weiten der ukrainischen Steppe, wo der Eselskarren noch populärer ist als abgas-manipulierte Transporter aus deutscher Produktion, weil der Esel wenigstens ehrlich furzt. Das ganze wird mit Beats gemischt, die Teile der ukrainischen Bevölkerung und meiner Leserschaft aber verunsichern könnten. Und wenn Kataryna, die ihr Geld bei Mc Donald's verdiente,  "Zombie" von den Cranberries covert merkt man, dass weißer Gesang auch die westliche Musik geprägt hat (hier ab Minute 4:00: https://youtu.be/Qt6vgMeGZOI)

Der Song "Solovey" (Nachtigall) handelt von einer Liebesnacht, die die Eltern der Korpulierenden nicht gutheißen würden, die deswegen auch nicht wiederholt werden kann und weswegen man die Nachtigall anfleht, nicht zu früh zu singen. Man liebt diese Art von Musik, insbesondere den Gesang, oder man hasst es. Ich liebe es, denn diese verlorene Perle des abgesagten ESC ist einer der wenigen Beiträge in Landessprache und mit wirklich echten landestypischen Merkmalen - und das mit ordentlichem Wumms im Beat. Und wir wissen alle: Eine Flöte (!!!) und Drums (!!!!) sind mehr als die halbe Miete beim ESC! Und brennen tut's auch. Ukraine halt!

Für die Ukraine: Go_A mit "Solovey!

Der Sender UA:Perschyj hat für Go_A bereits die Flugtickets für das kommende Jahr gebucht, wenn der ESC hoffentlich wirklich in Rotterdam stattfinden wird.