Litauen, früher Teil der
Sowjetunion, nahm als wieder eigenständiges Land erstmals 1994 am ESC teil und ich finde, das das nicht unbedingt hätte sein müssen. Zur Begründung reichen Bandnamen wie „Laura and the lovers“
oder „4fun“ aus, aber auch Titel wie „We are the winners (of Eurovision)“, der keinesfalls hielt, was er versprach. Wenigstens waren die litauischen Beiträge in den Halbfinalen immer geeignet, um
zum Klo zu gehen oder sich eine neue Flasche Rotwein zu öffnen. In den Halbfinalen deswegen, weil dort schon sehr oft Feierabend war und man am nächsten Tag zurück nach Vilnius fliegen konnte, um
dort das Grand Final am Samstagabend bequem vom Sofa aus zu schauen. Derweil uferte der litauische Vorentscheid immer weiter aus, bis es unzählige zähe Vorrunden gab und selbst Hardcore-Fans es
nicht mehr schafften, dem unwürdigen Treiben der Stümperhaftigkeit per Stream zu folgen.
In diesem Jahr aber geschah das Unfassbare. Der Sender LTV entrümpelte seinen Vorentscheid grundlegend und sendete eine sehr professionelle, unterhaltsame Show mit guten Beiträgen. Und
tatsächlich wählten die Litauer Televoter im Gegensatz zum betagten ARD-Publikum den besten und nicht den betulichsten Beitrag aus!
Die dreiköpfige Band „The Roop“ machte das Rennen. Gegründet 2013 in der Hauptstadt Vilnius, bezeichnen sie ihren Musikstil selbst als „Pussy-Pop“. Sie sind vor allem auf Festivals in ihrer
Heimat zuhause, spielen aber auch weltweit Konzerte. Ihr verhinderter ESC-Beitrag „On Fire“ ist eine rhytmische Elektrop-Nummer, die mit dem Jugendkult in der Popszene abrechnet. Der 38-jährige
Frontmann Vaidotas Valiukevicius singt davon, dass er oft zu hören bekomme, dass er zu alt sei. Tatsächlich aber beweist er auf der Bühne wie auch im Video, dass er noch jede Menge Fuego hat, um
Litauen in diesem Jahr nicht nur ganz weit nach vorne zu bringen, sondern um den Sieg mitzuspielen. Leider verhindert die Corona-Pandemie diesen litauischen Traum. Während er in der Livesendung
des nationalen Vorentscheids eine markante Bühnenshow abliefert und ich seitdem versuche, eine Hose zu finden, wie er sie dort trägt, ist das Video eher künstlerisch gemacht:
https://www.youtube.com/watch?v=FxPm-Wz8qpY
„On Fire“ ist für mich in
vielfacher Hinsicht eine Perle des Jahrgangs 2020. Das Thema des Textes finde ich gut, den Musikstil mag ich, die Performance ist extrovertiert und es ist gut und richtig, das der Mut des
litauischen Fernsehpublikums, eine solche Nummer zum ESC zu schicken, schon durch die extrem guten Feedbacks der Fans aus der ganzen Welt belohnt wird. Und es ist jammerschade, dass Litauen
aufgrund doofer Viren sogar womöglich um den Sieg gebracht wird.
Für Litauen: The Roop mit „On Fire“!
Der Sender LTV schweigt sich bislang aus, ob The Roop 2021 mit einem neuen Lied nach Rotterdam fahren dürfen.